Bild: Armin Seibert

Bad Kreuznach. So viele Handwerksmeister bei einer Veranstaltung hat man in Bad Kreuznach wohl selten gesehen. Beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft im Großen Kursaal in Bad Kreuznach mit über 300 Besuchern standen 53 Meister auf der Bühne. Sie wurden für ihr silbernes Meisterjubiläum geehrt. Zahlreiche Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft und vor allem auch viele ältere Meistersemester, die schon Goldene oder gar diamantene Meisterbriefe vorweisen können, bildeten den würdigen Rahmen in der „gut Stubb“.

Aber auch der Nachwuchs machte gute Figur. Drei junge Leute, die bei der „Deutschen Meisterschaft im Handwerk“ – German Craft Skills 2023“ herausragende Leistungen gezeigt hatten wurden geehrt, unter anderem Edelsteinfasserin und Bundessiegerin Chi Nguyen (Idar-Oberstein).

Alle wurden von Handwerkskammerpräsident Kurt Krautscheid, den Kreishandwerksmeistern Alfred Wenz, Simon Henkel und Peter Mumbauer sowie Hauptgeschäftsführer Martin Partenheimer und Geschäftsführerin Silke Dittrich unter großem Beifall gewürdigt.

Nach der Gratulationscour für drei Silberjubiläums-Jahrgänge, die wegen dreijähriger Coronapause etwas länger gedauert hatte, ging es im Kursaal-Nebenraum zur „Nachbesprechung“. Da konnte mit Bundes- und Landespolitikern, IHK, Versicherungen, Bankenvertretern vieles besprochen werden, was Kammerpräsident Kurt Krautscheid und vorsitzendem Kreishandwerksmeister Alfred Wenz in ihren Reden angerissen hatten. Wenz nannte als Themenbeispiele, die den Handwerkern auf den Nägeln brennen den 14-Punkte-Plan vom Wohnungsbaugipfel der Bundesregierung. Den gelte es rasch umzusetzen, um einen Crash mit massivem Kapazitätsabbau zu vermeiden. Dabei würden Fachkräfte für Wohnungsbau und klimagerechten Umbau dringend benötigt. Vom Bund bis zur Kommune müssten alle jetzt Tempo machen. Leider als „Klassiker“ müsse er wieder den Bürokratieabbau anmahnen. Mit künstlicher Intelligenz gehe das nicht. Tagtäglich ausufernde Rechtsprechung nehme kleinen und mittelständischen Betrieben geradezu die Luft zum Atmen. Wenz: „Wir sind der leeren Versprechungen müde.“ Der Frust bei vielen Selbstständigen sitze tief, so hätten sich auch Innungsbetriebe wie Bäcker, Fleischer und Landmaschinenmechaniker an den Bauern- und Winzerprotesten beteiligt. Für energieintensive Betriebe wie Bäckereien sei es nicht nachvollziehbar, dass Großbetriebe bei Strom subventioniert würden, die kleinen aber „hinten runter“ fallen. Das sei ein Beispiel für viele halbgare und auch juristisch schlecht gemachte Ruck-Zuck-Gesetze. Da könne man im Bereich Gesetzgebung mit weniger mehr erreichen.

In Anbetracht vieler anstehender Wahlen machte Wenz aber klar: Demokratie sei das Maß der Dinge, verlange gute Nerven und Geduld. Probleme dürften trotz mangelhaft kommunizierter Politik niemals dazu führen, rechtsradikalen Hetzern gegen Minderheiten und Migranten zu wählen. Das führe ins Elend. Man dürfe aber auch Mitbürger, die auf ihre Leistung und ihr Land stolz sind, nicht gleich in die rechte Ecke stellen, wenn sie sich demokratisch zu Deutschland bekennen. Wenz unter großem Beifall: „Deutschland ist auf seine Mitbürger aus aller Welt angewiesen und auch wir im Handwerk können ohne ihre Leistungen nicht arbeiten. Bei uns zählt nicht, wo jemand herkomme, sondern wo er hinwill. Die Kreishandwerkerschaft und ihre 23 Innungen seien offen für einen Dialog mit allen demokratischen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen.

Leider musste die geplante Ehrung und der offizielle Abschied von Gerhard Schlau noch einmal vertagt werden. Schlau hatte 36 Jahre die KHS-Geschäfte geführt, konnte gesundheitsbedingt nicht dabei sein. Er unterstützt Vorstand und Kollegen weiterhin tatkräftig. Sein am 1. Februar 2023 angetretener Nachfolger Martin Partenheimer merkte humorvoll an, er habe fürs Einarbeiten ein Jahr Zeit bekommen. Das war noch nicht ganz abgelaufen, deshalb möge man noch kleine Unebenheiten entschuldigen. Als gelernter Beton- und Stahlbetonbauer mit familiären Wurzeln in einem Roxheimer Handwerksbetrieb fühlt er sich sehr wohl im Kreise der Handwerkerfamilie und wolle mit dem motivierten KHS-Team zum Erfolg im ländlichen Raum beitragen. Man wolle ein gutes Gerüst bieten, eine starke Organisation sein, den ländlichen Raum mit vielen Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Handwerk selbstbewusst und krisenfest stärker machen.

„Die Krisen beginnen immer im Kopf,“ merkte Kammerpräsident Kurt Krautscheid zum Auftakt seiner Festrede an. Nein, man dürfe nicht immer an die Probleme denken, dürfe ruhig gute Fakten nennen. So bezeichneten in einer Handwerker-Umfrage 85 Prozent der Betriebe die Lage als gut bis befriedigend, die Zahl der Unternehmen steige. Klar sei aber auch: Energieintensive Betriebe sind auf dem Rückzug, die Politik von Bund und Land habe keinen klaren Kompass. Dazu gehört für Krautscheid, dass beispielsweise ein Müllwerker fast auf Bürgergeld-Niveau arbeiten müsse. Hier werde das Geld großzügig verteilt, dort fehle es oder kleine Betriebe würde überreguliert. Ein Beispiel: Fürs Aufheben von Papier-Dokumenten im Zuge des neuen Lieferkettengesetzes müssten Handwerker sogar Räume anmieten. Ein Unding gerade auch für Meister ihres Fachs, die sich ständig weiterbilden, bis zu 1.500 Stunden investierten, um sich die berufliche Krone aufzusetzen, den Meisterbrief. „Sie sind die Premiummarke im Handwerk,“ rief Bäckermeister Alfred Wenz den Kollegen zu.